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C64, Amiga, Atari: Retro-Games sind „in“
Ankündigungen von neuen Spielekrachern oder Konsolen lassen sie kalt. Sie interessieren sich lieber für ihren C64, Amiga oder Atari und daddeln Spiele der späten 70er bis 90er Jahre. Die Rede ist nicht von ewig Gestrigen, sondern einer ganzen Szene, die in den letzten Jahren immer weiter Zuwachs bekommen hat. Eine Szene voller Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen Fans alter Hardware und Retro-Spielen sind und die so bunt ist, wie die Welt der Videospiele selbst.
Pac-Man statt GTA V: Retro-Games erfreuen sich immer größerer Beliebtheit.
Sie treffen sich in Online-Foren zum täglichen Plausch, schauen, wer Hilfe für seinen defekten Homecomputer oder seiner defekten Retro-Konsole sucht, geben Tipps, was beim Kauf eines klassischen Homecomputers oder einer Retro-Spielkonsole beachtet werden sollte, wandern an den Wochenenden über Flohmärkte, um ihre Sammlung aufzustocken oder besuchen Veranstaltungen, um Gleichgesinnte zu treffen und mit ihnen zu daddeln. Was noch vor ein paar Jahren als „eine Hand voll Verrückte“ oder „Freaks“ abgetan wurde, hat sich längst zu einer beachtlichen weltweiten Szene entwickelt, die sich zunehmend professionalisiert.
Längst reichen die Nebenzimmer von Kneipen nicht mehr aus, um Treffen zu organisieren. Ganze Veranstaltungshallen werden gebucht oder das Pergamon Pallais in Berlin, wenn z.B. die „Classic Computing“ steigt – eine Veranstaltung des Vereins zum Erhalt klassischer Computer, der nicht mehr nur in Deutschland, sondern mittlerweile auch im europäischen Ausland agiert. Die Vereinsmitglieder sammeln, restaurieren und konservieren klassiche Homecomputer und erhalten auch das Wissen um diese. So bunt und vielfältig, wie die Homecomputer- und Spielkonsolenwelt der späten 70er bis 90er-Jahre, ist auch der Verein an sich, erklärt Andreas Paul, 1. Vorsitzender des Vereins: „Die Interessen sind gleichfalls bunt gemischt – vom gelegentlichen C64-Spieler mit einem Gerät hin zum Sammler mit großer Kollektion unterschiedlicher Maschinen. Mancher hat einen Fokus auf Restauration. Andere sind Tüftler, reparieren Altes und entwickeln neue Verbesserungen. Weitere haben ein besonderes Interesse an der Software und der technischen Entwicklung im Wandel der Zeit, oder am Publizieren. Der Verein ist eine bunte Mischung und stellt für all diese Neigungen eine gemeinsame Heimat dar.“
Erfahrungsaustausch, Daddeln und Reparieren auf der Classic Computing 2012 in Lorsch. (Bild: VzEkC e.V.)
Eine Heimat für das „LOAD-Magazin“ zum Beispiel. Ein Print-Magazin, welches der Verein einmal im Jahr an die Vereinsmitglieder, sowie Retro-Liebhaber und Interessierte herausgibt und welches sich aus Vereinsmitteln und einer Art Crowdfunding finanziert. Das Magazin bietet eine bunte Mischung aus Szene-Berichten, Technik-Geschichte und Vereinsthemen. Erst kürzlich erschien die zweite Ausgabe mit dem Titel-Thema „Computer in der DDR“. GamingMedia-Herausgeber René Meyer hat an dem Heft mitgewirkt – immerhin ist er hinter dem Eisernen Vorhang aufgewachsen und lernte in der DDR Programmieren. Nach der Wende wurde er Journalist und Autor. Dabei lässt er immer wieder seine Liebe zu Retro durchblicken. Als er seine Buchserie „MogelPower“ 1998 ins Netz stellte, kamen rasch klassische Systeme wie Commodore 64, Super Nintendo und Amiga hinzu. Heute bietet die Website Cheats und Lösungen für bald 30.000 Spiele aus vier Jahrzehnten.
René Meyers Wanderausstellung "Haus der Computerspiele" schaffte es 2007 ins Guinnes-Buch der Rekorde.
Mit seiner Wanderausstellung „Haus der Computerspiele“ unterhält Meyer eine stattliche Sammlung von klassischen Homecomputern, Spielkonsolen sowie deren Spiele, Software und Zubehör. 2007 schaffte sie es sogar ins Guinness-Buch der Rekorde. Mit diesem Fundus im Hintergrund und mit engagierten Sammlerfreunden wie Torsten Othmer und Thomas Köhre organisiert er die beiden größten Retro-Veranstaltungen in Deutschland: die „Lange Nacht der Computerspiele“ in Leipzig und die Sonderschau „Retro Gaming“ auf der Gamescom.
Die Sonderfläche "Retro Gaming" hat sich auf der Gamecom inzwischen zu einem der großen Highlights etabliert.
Thiemo Eddiks ist schon seit vielen Jahren Mitglied im Verein zum Erhalt klassischer Computer. In Oldenburg betreibt er seit 2008 das Oldenburger Computer-Museum – ein „hands-on“-Museum, in dem alle Geräte betriebsbereit sind und bespielt werden dürfen. Wegen eines Umzuges ist es derzeit geschlossen. „Wir werden das Museum in sehr zentraler Lage und deutlich größeren Räumlichkeiten im November dieses Jahres wiedereröffnen. Neben einem großen Raum für Wechselausstellungen wird Platz für einen Vortragsraum, eine Retro-Lounge, eine Werkstatt, einen Arcade-Raum, sowie für das komplette Depot zur Verfügung stehen“, beschreibt Eddiks sein Vorgehen.
Es ist aber nicht das einzige Museum in Deutschland. Auf dem Gelände der Universität der Bundeswehr München wächst eines der wichtigsten Projekte zum Erhalt und zur Präsentation historischer Rechentechnik – das Computermuseum München, welches sich auf Großrechenanlagen spezialisiert hat. Im Computerspielemuseum in Berlin kann man in wechselnden Ausstellungen gleich 60 Jahre Gameskultur erkunden. In Karlsruhe bietet der Verein „RetroGames“ eine Ausstellung mit über 70 originalen Videospielautomaten aus 30 Jahren Videospielgeschichte. Die Automaten werden durch die Vereinsmitglieder spielbereit gehalten und können während der Öffnungszeiten gegen ein kleines Eintrittsgeld kostenlos gespielt werden. In Seligenstadt (Landkreis Offenbach, Hessen) betreibt der Verein „For Amusement Only“ die vermutlich größte Spielautomaten-Ausstellung. Über 150 Flipper und Arcadeautomaten werden im „Flipper- und Arcademuseum Seligenstadt“ ausgestellt. Einige Exponate sind noch elektromechanisch. Auch hier kann gegen Eintrittsgeld während der Öffnungszeiten an den Flippern und Automaten gedaddelt werden.
Ausstellung des "For Amusement Only e.V." auf der Gamescom 2013.
Der „1. Hanauer Netzwerkclub e.V.“, der seit 2009 die „HomeCon“ - eine Retrocomputing-Veranstaltung in Hanau - ausrichtet, gründet gerade ein Museum für digitale Kultur im Rhein-Main-Gebiet. Ein Vorgeschmack auf dieses bietet die bald auslaufende Sonderausstellung „Digitale RETROkultur“ im Technik-Museum Hanau-Großauheim, die von den Mitgliedern des Vereins gestaltet wurde.
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