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Koramu #3
Mein Arzt hat mir geraten, mich nicht mehr so häufig aufzuregen. Das bekommt mir angeblich nicht so gut. Manchmal sei es besser, so der Halbgott in weiß, einfach über Dinge zu lachen, vielleicht auch nur den Kopf zu schütteln. Insbesondere in der Weihnachtszeit soll das helfen, schließlich soll man in dieser den Tag besinnlich verbringen. Einfach mal abschalten, den Alltag den Alltag sein lassen, ja vielleicht sogar die Videospiel-Industrie die Videospiel-Industrie sein lassen. Was bringt es schließlich schon, Diskussionen mit Leuten zu führen, die sowieso sofort eingeschnappt sind, wenn man etwas Negatives zu „ihrem“ Spiel sagt. Welchen Sinn hat es, mit Leuten zu diskutieren, die mit absoluten Irrsinnsargumenten um sich werfen. Mit dieser Ansicht lässt sich das diesjährige Videospieljahr tatsächlich ein wenig schmunzelnd betrachten. Eigentlich, doch ich wäre kein Kritiker, wenn mich die aktuelle Situation nicht beunruhigen würde. Ein Call of Duty: Black Ops verkauft sich häufiger als das erfrischende Vanquish in Japan? Da muss etwas gewaltig schief gegangen sein. Denn gerade Letzteres ist der Beweis, dass wenn auch die Japaner bekannte Konzepte übernehmen, diese trotz all der Kritik aus der eigenen Branche (Keiji Inafune...) frisch verpacken können.
Ich gebe es zu: Wer nicht genau hinschaut, der könnte meinen, Vanquish sei wie Gears of War. Cover-Mechanik, viele Bösewichter und überall explodiert irgendwas. Dazu eine hanebücheen Story um einen, ich sage mal Space Marine, der gegen feindliche Roboter kämpft und sich mit Hilfe seines Spezialanzuges schlitternd durch die Gegend bewegt. Das Game erfindet gewiss nicht das Rad neu – der Zeitlupeneinsatz ist seit Max Payne nicht mehr weg zu denken – schafft es aber tatsächlich das Genre der Cover-Shooter in eine neue, erfrischende Richtung zu lenken. Während Epics Shooter mehr in die Richtung Teamarbeit im Coop, mit einer lahmen und in meinen Augen mittlerweile eingestaubten Cover-Mechanik, sich bewegt, hat Shinji Mikami (Resident Evil, God Hand) mit Platinium Games eine Evolution des Genres kreiert. Wer Vanquish wie Gears of War spielt, der spielt es falsch. An der Aussage gibt es nichts zu rütteln, nichts großartig zu argumentieren. Auch wenn der Titel die Cover-Mechanik hervorragend nutzt, so setzt es einen gewissen, sehr flotten Spielfluss voraus. Anstatt sich langsam von Deckung zu Deckung zu bewegen, schlittert ihr unter Zuhilfenahme eures Spezialanzuges quer durch die Areale, rollt euch gekonnt ab und setzt im richtigen Moment die Zeitlupe ein. Der Clou: Der Anzug überhitzt relativ schnell, bei Nahkampfangriffen sogar sofort, sodass ihr stets zwar in Bewegung bleiben, aber in den entscheidenden Sekunden auch die überlebenswichtigen Deckungsmöglichkeiten erreichen müsst. Die flotte Techno-Musik im Hintergrund mag zwar nervig erscheinen, passt aber zum gesamten Flair des Spiels.
Shinji Mikami wollte einen flotten 3rd-Person-Shooter entwickeln – und das ist ihm gelungen. Wer langsam spielt, der spielt falsch, der hat sogar vielleicht keinen Spaß am Spiel. Vielleicht konnte Publisher Sega den Kunden das Spielprinzip nicht richtig erklären. Vielleicht reichen Schlagwörter wie „High-Speed-Action“ nicht aus, um ein Spiel zu vermarkten. Vielleicht hat man es überhaupt nicht richtig vermarktet. Wie bereits in meinen anderen beiden Koramu-Ausgaben erklärt: Ich bin kein Marketing-Experte und überlasse dieses Feld, zumindest meistens, den Leuten, die davon Ahnung haben. Trauriger Fakt ist jedenfalls, dass sich Vanquish, eines der besten Spiele, die dieses Jahr aus Japan kamen, miserabel verkauft hat. Kumuliert haben sich die Xbox 360- sowie PS3-Fassung weltweit lediglich rund 371.000 Mal verkauft. In Japan, zusammengerechnet, sogar nur 97.440 Mal. An den bösen (und oftmals inkompetenten) Spielejournalisten weltweit lag es jedenfalls nicht: Das Spiel bekam laut Metacritic eine Durchschnittswertung von 84%, was in einer Welt, in der Machwerke wie Call of Duty: Black Ops in höchsten Tönen gelobt werden, eine verdammt gute Note darstellt.
Traurigerweise wurde Vanquish genau dort kritisiert, wo es eigentlich zusätzlich gelobt werden sollte. Laut den eigentlich von mir sehr geschätzten Redakteuren des US-Magazins Wired ist das Game sogar eine der größten Enttäuschungen des Jahres – zusammen mit solch atemberaubenden Games wie Power Gig: Rise of the SixString, von dessen Existenz manch einer wohl erst durch Wireds Liste erfahren haben dürfte. Redakteur Gus Mastrapa argumentiert seine Wahl dadurch, dass Vanquish nichts weiter, als die „gleiche, übertriebene, unmusikalische Albernheit sei, die wir seit bereits 20 Jahren in- und auswendig kennen“. Uff, das sitzt, beschreibt aber genau meine Problematik mit den Diskussionen zum Eingang dieser Kolumne. Weiter schreibt Mastrapa, dass die Geschichte nicht mit der genialen Spielmechanik mithalten konnte. Bleibt nur die Frage, ob Vanquish das musste? Müssen Spiele in der heutigen Zeit immer eine Geschichte erzählen? Ist jedes Game automatisch gleich ein RPG, das über mehrere Stunden eine mehr oder weniger epische Geschichte erzählt? Ist die Story eines Gears of War so überragend, dass man sie nicht kritisieren muss? Achtet dort überhaupt jemand auf die Story? Spielt man Halo wegen der Geschichte, oder wegen der eigentlichen, mittlerweile doch eher etwas müden, Mechanik?
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